Über das Transformationslabor

Das Transformationslabor für die Regeneration von Lebensräumen und den Kulturwandel für Nachhaltigkeit in Luxemburg ist aus der Zusammenarbeit der Nach­haltigkeits­forschungs­gruppe der Universität Luxemburg mit dem Ministerium für Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Klimawandel, der Wasserverwaltung, der Natur- und Forst-Verwaltung und dem Bildungsministerium entstanden.

Das 6. weltweite Massensterben von Arten – vom Menschen verursacht, und durch den Klimawandel beschleunigt – führt klar vor Augen, wie weit fortgeschritten Verschmutzung und Überlastung natürlicher Systeme wie Wasser und Land sind. Expert*innen haben nachgewiesen, dass die Kapazität von Ökosystemen sich selbst, durch den natürlichen Abbau von Schadstoffen, zu regenerieren, stark reduziert ist und an vielen Orten weiter sinkt. Im 21. Jahrhundert trägt der Mensch die Verantwortung, nicht nur weniger Schaden anzurichten, sondern auch die Lebensgrundlagen von uns und anderen Lebensformen zu regenerieren. Und das ist dringend.

Die gute Nachricht: Immer mehr Menschen, und besonders auch junge Menschen wollen sich hierfür engagieren. Auch die weltweite Wissenschaft wendet sich den Problemen der Regeneration zu. Die Fragen sind jedoch komplex – es geht nicht nur um Umweltwissenschaft, sondern auch soziale und wirtschaftliche Faktoren sind eng mit dem Zustand der Umwelt verknüpft. Fachwissen in einem bestimmten Gebiet reicht oft nicht mehr aus, um dem Problem angemessene Handlungsempfehlungen folgen zu lassen. Eines erscheint klar: Das Denken und Handeln nur wenigen Expert*innen und Regierungs­beamte*innen zu überlassen, reicht nicht. Wir kommen nur dann mit einer flächenüber­greifenden Regeneration von gesunden Lebensräumen für alle Lebensformen auf der Erde wirklich voran, wenn wir alle vor Ort zupacken.

Die heutige Situation zeigt jedoch auch klar auf, dass durch ‚Wissen‘ nicht automatisch zielführende Handlungen zur Regeneration vor Ort entstehen. Zeit, Raum und Ressourcen für eigenes Handeln zur Regeneration der Ökosysteme vor Ort zu finden ist nicht immer einfach, und auch wenn man agiert, ist nicht sicher, ob dies im Angesicht komplexer Zusammenhänge und schnellen Wandels auch auf Dauer zielführend ist. Man bräuchte also noch mehr Möglichkeiten Auswirkungen von menschlichen Aktionen und Initiativen auf Dauer zu erfassen, zu verstehen und zu bewerten – im Verbund.  Zusammenhänge im System zwischen Veränderungen im persönlichen Bereich, in der gesellschaftlichen Sphäre, in Technologie und Infrastruktur sowie in der Umwelt sollten hierbei zusammen betrachtet werden, und nicht nur durch unabhängige Fachexpert*innen isoliert und aus unserem komplexen gesellschaftlichen Ökosystem heraus gelöst werden.

Systembetrachtungstemplate: unser Umgang mit der Umwelt

Systembetrachtungstemplate: Unser Umgang mit der Umwelt

Vernetztes Denken und Handeln – was nehmen wir in den Blick bei nachhaltigen oder gar regenerativen Initiativen?

Das Transformationslabor bietet einen Raum, sowie Prozesse zum vernetzten Denken und Handeln an – für die Regeneration der Natur und einen weitreichenden Kulturwandel. Das Transformationslabor soll ein Knotenpunkt im Netz engagierter Menschen in Luxemburg und der Großregion werden, um mit ganz verschiedenen Expert*innen und Interessengruppen im Verbund, gut vernetzt planen, handeln, beobachten, analysieren und lernen zu können. Das Labor soll aber auch ermöglichen, ganz verschiedenartige Initiativen vor Ort zu verstetigen. Die Auswirkungen ganz verschiedener Initiativen auf Dauer zu verstehen und zu vergleichen ist unabdingbar, um bewerten zu können, welche Ansätze unter welchen Bedingungen am vielversprechendsten sind. Das Transformationslabor Luxemburg besteht also aus sozialen, physischen und virtuellen Räumen, die Begegnungen ganz verschiedener engagierter Menschen mit ganz unterschiedlichen Weltverständnissen ermöglichen sollen.

Einige der Herausforderungen, denen man sich in einem Transformations­labor gemeinsam stellen kann, sind:

  • Die Veränderungen im Artenvorkommen (Artensterben, invasive neue Pflanzen und Schädlinge, sowie neue Krankheitserreger);
  • Veränderungen in der Bodenfruchtbarkeit und der Kulturperiode, mit wahrscheinlichen Ernteverlusten auf Grund von Sommerdürren;
  • Gefährdung heutiger Ansätze der Trink- und Abwasserversorgung;
  • Grundlegende krisenbedingte Verhaltensveränderungen in verschiedenen Gruppen in Wirtschaft und Gesellschaft.

Das Hauptproblem unserer etablierten, sehr sektoralen Sichtweise ist jedoch, dass Veränderungen in all diesen Bereichen eng miteinander verstrickt sind und viele Wechselwirkungen auftreten. Lösungen für jede einzelne Herausforderung zu suchen, reicht oft nicht. Zu kurz gedachte Lösungen bedeuten oft stärkere Belastungen in einem anderen Bereich.

Die Grundannahme in der Systemtheorie ist, dass Rückkoppelung von Auswirkungen des eigenen Verhaltens durch Lernen zum Design von neuen Strukturen zur verbesserten Selbstorganisation hilfreich ist. Wir brauchen also Räume zum gemeinsamen Kreieren, Experimentieren und Lernen, um mit Wandel umzugehen.

Idealtypischer sozialer Lernprozess im Transformationslabor

Das wir in der Lage sind, grundlegende und weitreichende Veränderungen schnell einzuführen, hat das kleine, invasive SARS-CoV-2 Virus klar aufgezeigt. Unser Wohlfahrtsystem ist fragil. Regeln, soziale Normen, Werte, Rechte und Pflichten anderen gegenüber, Lebens- und Gemeinschaftsformen wurden in wenigen Monaten umgekrempelt. Viele von uns haben gerade im Austausch mit den Nachbarn erfahren, wie erfüllend es sein kann, Zeit und Grund zu haben, um uns umeinander zu kümmern. Auch haben wir durch die viele Zeit, die wir zu Hause verbracht haben, deutlich gesehen, wovon unser Wohlbefinden in unserem Lebensraum abhängt.

Die Transformationsforschung beschäftigt sich mit bewusst organisierten Umgestaltungs- und Lernprozessen für Resilienz. Drei Herausforderungen stehen im Vordergrund

Die erste Herausforderung besteht in der Frage, wer überhaupt ein größeres, komplexes System umgestalten kann. Wer ist am besten plaziert, um die Umgestaltung in die Hand zu nehmen?

Eine positive Entwicklung ist, dass immer mehr Personen in Wissenschaft, Regierung und Wirtschaft aktiv werden, um Lösungen zu entwickeln. Es gibt auch immer mehr motivierte Freiwillige die sich für den Wandel engagieren möchten.

Wie schon Soziologin Margaret Mead meinte: „Systemveränderungen, die mit der Veränderungen von Machtstrukturen einhergehen, wurden immer von einer ersten Gruppe sehr engagierter Bürger herbeigeführt. Daher spielen lokale Zusammenschlüsse ganz verschiedener Interessen und Perspektiven besonders auf der Ebene von Gemeinden m.E. eine immer grössere Rolle in der Gestaltung resilienter Lebensräume und Gemeinschaften.“

In der Transformationsforschung wird empfohlen, solche Strukturen auch dazu zu nutzen, explizite Lernprozesse zu gestalten, zu verorten und zu verstetigen, wie z.B. in Reallaboren. Dies heißt nicht nur ‚Kommunikation‘, sondern auch Erfassung und Bewertung von bewirkten Veränderungen.

Die zweite Herausforderung besteht in der Frage, wie wir uns noch besser organisieren können, um Einzelinitiativen miteinander zu verbinden und davon zu lernen.

Das Transformationslabor bietet einen Ort, um verschiedene Initiativen darzustellen und verschiedene Prozesse zur Teilhabe zu dokumentieren, Ergebnisse als Gesamtbild zu analysieren und gemeinsam zu bewerten. Hier bietet die Plattform Aktioun Nohaltegkeet eine zusätzliche Möglichkeit, um sich über weit gestreute Nachhaltigkeitsinitiativen auszutauschen.

Die dritte Herausforderung fragt, wie wir Veränderungen und ganz verschiedene Auswirkungen unserer Initiativen und Experimente noch gezielter über die Zeit hinweg verfolgen und anschliessend gemeinsam bewerten können, um daraus zu lernen.

Die Antwort hierauf sind die Citizen Science ‚Bürgerwissenschaften‘. Hierfür gibt es eine wachsende Zahl von Plattformen, die Datensammlung durch Bürger über Auswirkungen ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen ermöglichen. Man kann z.B. Artenvorkommen mit der App iNaturalist erfassen; die Ergebnisse werden von Expert*innen ausgewertet. Ein Transforamtionslabor bietet einen Ort, um projektübergreifende Ziele und Veränderungen zu definieren, die erfassten Daten gemeinschaftlich zu interpretieren und zu bewerten. Ergebnisse werden dann handlungsweisend für zukünftige Initiativen eingesetzt.

Die Website des Transformationslabors bietet drei übergeordneten Bereiche des virtuellen Labors

Im Bereich Mitmachen wird jeder eingeladen sich zu engagieren, kreativ zu handeln und dadurch auf Dauer zu lernen:

  • Aktioun Nohaltegkeet ist eine Web-Plattform, die es ermöglicht, Initiativen umfassend darzustellen, so dass die Nutzergemeinschaft der Plattform voneinander lernen kann. Unabdinglich hierbei ist eine offene Dokumentation, bei der auch geschildert wird, was im Rückblick nicht so gut war und hätte vermieden werden können. Möglichkeiten zur Entdeckung relevanter Partner, Expertise und Finanzierungsmöglichkeiten beim Planen eigener Initiativen bestehen ebenfalls.
  • Der Citizen Science Bereich [Link] bietet Zugang zu Citizen Science Werkzeugen sowie zur App WasserLux [Link] (und bis Mitte 2022 auch der LandLux ), die Begleitforschung ermöglichen – das Sammeln von Daten in Bezug auf den Zustand der Natur und die Auswirkungen von Mensch und Technologie, seien sie belastend oder regenerativ.
  • Im Bereich Dialog mit Entscheidungsträgern kann man sich melden, um sich in öffentliche Workshops und Konferenzen einzubringen, die im Rahmen unserer Projekte in der Transformationsforschung organisiert werden. Der Bereich bietet einen Ueberblick darauf, was in den nächsten 4-6 Monaten stattfindet. Engagierte Menschen mit eigenen Erfahrungen und Meinungen darüber, wie Wandel für Nachhaltigkeit und Regeneration gestaltet werden könnte, können ihre Perspektiven hier in regionale oder nationale Workshops einbringen, um den Rahmen für regenerative Initiativen der Regierung, in Gemeinden oder Regionen, von Firmen und oder Bürgerverbünden mitzugestalten.

So entsteht für jede Person die Möglichkeit, in einen iterativen Lernprozess einzusteigen und eigene Initiativen in eine erweiterte Perspektive zu rücken.

Im Bereich Wissenschaft werden Forschungsprojekte aus Luxemburg vorgestellt, die das Anliegen haben, transdisziplinär, d.h. durch das einflechten aus Wissen aus den Natur- und Ingenieurswissenschaften, den Sozial- und Humanwissenschaften und den Professionen und der Praxis , und über Ortsgebundene Umstände von lokalen Akteuren, zur Transformation beizutragen. Die Projekte sind vielfältig und beziehen sich oft auf die Betrachtung von komplexen sozial-ökologisch-technologischen Systeme in denen Verhaltensmuster entstehen, stabilisiert oder umgestürzt werden. Lokale Umstände müssen genauso mit in den Blick genommen werden wie abstrakte Modelle der Wissenschaft, um ortsangemessene regenerative Initiativen wie z.B. Agroforstprojekte, Flussrenaturierungen oder die Umgestaltung eines eigenen Gartens oder Balkons ins Leben zu rufen.

Der Bereich Fortbildung bietet einen Überblick über Fortbildungsmöglichkeiten, Studienprogramme und Lernveranstaltungen so wie öffentliche Vorlesungen mit relevanten Themen, die von Interesse sein könnten.

Fazit über das Transformationslabor Luxemburg

Was ist das nun für ein Labor? Unser Transformationslabor soll jeder Person und jeder Organisation ermöglichen, aus Interesse und Eigenmotivation sinnstiftend zum Wandel beizutragen. Das Labor bietet neue Experimentierräume für gemeinsames, erfahrungsbasiertes Lernen durch Beobachtung und Analyse. Es soll dazu dienen, schon bewährte Ansätze zu verbreiten und weiter zu erforschen wie diese sich, verschieden an unterschiedlichen Orten, „auspielen“. Ziel ist jedoch immer, einen Lernprozess zu unterstützen, der allen, die sich einbringen, hilft, den Wiederaufbau gesunder Lebensräume, mit gesunden Böden, Wasserköpern und vielfältigen Lebensformen zu fördern.

 

Die Offenheit des Labors ist hier aber auch durch die Nähe zur Praxis hochdynamisch und komplex, vieles ist ungewiss, schwer vorhersehbar, und von vielen ganz verschiedenen Faktoren einschliesslich menschlicher Werte beeinflusst, die oft nicht-lineare Entwicklungen ausmachen. Diese Labore sind nicht mit traditionellen Laboren – geschlossenen kontrollierten Räumen – zu vergleichen. Es wird ein immer gängigerer Ansatz von Wissenskokreationsprozessen, Wissenschaft, Praxis und ortsgebundendes Wissen zu vereinen – dieser Ansatz ist eng verwandt mit den Reallaboren in Deutschland (LINK ZUM NETZWERK) und den weiter gefassten ‚Living Labs‘ im angelsächsischen Raum, die auch des öfteren im Rahmen von Universitäts Campi entwickelt wurden.  (Link Artikel über die Reallabor Kategorisierung und mein Buch zu Living Labs).

Das Gute ist – die Europäische Union hat mit dem neuen Horizon Europe Forschungprogramm einen Aufruf an die Wissenschaft veröffentlicht, diesen Forschungsmodus eingebettet in Gesellschaft und Praxis noch viel weiter auszubauen und diese Labore unter sich zu vernetzten, damit wir auch über verschiedene Länder hinweg voneinander lernen können (LINK).  Mehr Informationen zum politischen Kontext in Luxemburg und der EU und der Agenda 2030 und den Nachhaltigkeitszielen der Vereinigten Nationen finden sich unter den verschiedenen Forschungsprojektbeschreibungen im Bereich Wissenschaft.

Denn – wie gesagt – die Transformation der Gesellschaft stemmen wir nur zusammen, nicht voneinander isoliert, allein zu Hause, in Elfenbeintürmen, den sektoralen Ministerien oder Firmen. Es bedarf neuer Partnerschaften und Formen der Zusammenarbeit.  Klingt das sinnvoll? Dann bist Du/sind Sie hier richtig!

Wir gehen davon aus, dass fast jedem Menschen daran liegt, seine Zukunft mitzugestalten.  Hierfür wird es immer wichtiger, Systemzusammenhänge und mögliche Umbrüche zu erkennen und dementsprechend zu handeln. Packen wir gemeinsam an!

Was ist das und wie funktionier das?