Landnutzungsmuster und Verschmutzung bewirken Massensterben von vielfältigen Arten, es besteht dringender Handlungsbedarf
Heutige menschliche Nutzungs- und Verschmutzungsmuster von Wasser, Boden, und anderen Ressourcen, untergraben die Kapazität zur selbst-erneuerung dieser eng miteinander vernetzten natürlichen Lebensgrundlagen. Eines der größten Risiken im 21. Jahrhundert ist der Zusammenbruch der Regenerations-Kapazität dieser Umweltsysteme, denn dies kann zu irreversiblen Auswirkungen führen. Die aktuellen Herausforderungen in Gesellschaft und Wirtschaft sind, dass die Lebensgrundlagen aller Lebewesen, auf die auch wir Menschen angewiesen sind, begrenzt sind, jedoch einer wachsenden Anzahl von Ansprüchen ausgesetzt sind. Der Bedarf an Methoden zur Entwicklung neuer Ansätze für unseren Umgang mit diesen Grundlagen und die soziale Koordination zwischen verschiedenen Gruppen im Angesicht solch komplexer Herausforderungen ist klar.
Viele Möglichkeiten den Klimawandel zu bekämpfen vergrößern den Druck auf das Land
Expert:innen zeigen auf, dass unsere Landnutzungsmuster und Schadstoffemissionen die regenerativen Prozesse für gesunde Böden, Gewässer und Biodiversität weitestgehend untergraben oder ganz ausschalten. Treibende Faktoren sind die Veränderung von Landoberfläche und Ökosystemen durch menschliche Nutzung (z.B. Zersiedelung und Verbauung der Landschaft, Flussbegradigungen oder das Trockenlegen von Feuchtgebieten zur landwirtschaftlichen Nutzung) und Schadstoffemissionen oder die Veränderung natürlicher Stoffkreisläufe (z.B. durch industrielle Produktionsprozesse, Instandhaltung von Infrastrukturen, und Nutzung von chemischen Düngern oder Pestiziden) in der Landwirtschaft. Das heutige Landwirtschaftssystem gewährleistet einerseits mittelfristige Nahrungsmittelsicherheit, ist jedoch auch mitverantwortlich für zunehmenden Biodiversitätsverlust, Bodenverlust und Schadstoffeintrag in Umwelt und Gewässer. Der Zustand von Lebensräumen und Wasserqualität verschlechtern sich auch in Luxemburg zusehends und das Risiko von Hitzewellen, Wasserknappheit und Dürren im Sommer steigt weiterhin (Strategie und Aktionsplan, MECDD; Energie- und Klimaplan, MEA ).
Biodiversitätsregenerierung, Kohlenstoffbindung und Ernährung müssen zusammengedacht werden
Regenerative Bewirtschaftungsformen bieten hier hohes Potenzial negative Auswirkungen der Landwirtschaft zu mindern, die Nahrungsmittelsicherheit weiterhin zu gewährleisten und gleichzeitig den Zustand der Umwelt und die Lebensqualität vor Ort zu steigern und langfristig zu sichern.
Integrierte Ansätze wie Agroforst sind gefordert
Agroforst bezeichnet eine Art der Landnutzung, bei der Gehölze mit Ackerkulturen, Gemüseanbau, Wiesen und Weiden sowie Tierhaltung auf einer Fläche kombiniert werden, so dass ökologische und ökonomische und wenn möglich auch soziale Vorteilswirkungen entstehen. Nachweislich können Agroforstsyseme positive Effekten auf Biodiversität und z.B. der Kompensation von Treibhausgasen durch die Bindung von atmosphärischem Kohlenstoff, auf der landwirtschaftlichen Flächen erzielen. Durch verschiedene Bodendecker und natürliche Gräser kann der Boden vor Erosion geschützt werden, durch geringere Verschlämmung wird die Infiltrationsleistung des Bodens und somit dessen Wasserhaushalt gestärkt (FAO, 2017) und somit können auch Nährstoffe besser in Boden und Pflanzen fixiert werden, als in konventioneller Landwirtschaft. Folglich werden die Nährstoffe nicht in naheliegende Vorfluter eingebracht, wodurch auch die Wasserqualität profitieren kann.
Das hohe Potenzial von Agroforstsystemen spiegelt sich auch in Fördermöglichkeiten auf europäischer Ebene wider. Hiermit soll eine schnelle und großflächige Einführung solch regenerativer Ansätze in der Landwirtschaft ermöglicht werden. Im Rahmen des Green Deals und der neuen GAP werden Mitgliedstaaten klar aufgefordert, einen nationalen Rahmen für das Einführen von Agroforstsystemen auf einer Vielzahl von landwirtschaftlichen Flächen zu entwerfen und national umzusetzen.
Zielsetzung des Projekts und Methodologie
Die Zentralen Fragen waren: Was ist das Potenzial von Agroforst in Luxemburg und wie sind die Erfolgsbedingungen?
In einem Pilotprojekt über das Potenzial von Agroforstsystemen in Luxemburg, das als Beitrag zur Entwicklung einer nationalen Strategie für Agroforst von der nationalen Natur und Forst Verwaltung getragen wurde, haben wir zwischen Mai und Dezember 2021 über 30 Interviews und zwei Workshops durchgeführt und ausgewertet. Die Workshops wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmen ‚Triebwerk‘ durchgeführt. Es entstand ein erster Bericht mit Emfpehlungen und Gelingensbedinungen zur Einführung von Agroforst auf einem größeren Anteil landwirtschaftlicher Flächen in Luxemburg. Der Bericht zeigt auch verschiedene Ansichten und Expertisen in Bezug auf Zusammenhänge, Möglichkeiten und Hindernisse, Widersprüche (z.B. zwischen bestehenden Politiken) und Handlungsspielräume auf.
Haupterkenntnisse
Folgende Haupterkenntnisse haben sich aus den Interviews ergeben:
- Das Potenzial zur Sicherung von Lebensgrundlagen in Bezug auf den Schutz von Boden und Umwelt und Nahrungsmittelsicherheit
- Die Hauptvoraussetzung ist die Attraktivität und Sicherheit von Agroforstsystemen zu gewährleisten und zu kommunizieren, damit diese in der Landwirtschaft umgesetzt werden. Gesetzlicher Rahmen, Förderprogramme und Wertschöpfungsmöglichkeiten sind maßgebend
- Ein klarer rechtlicher Rahmen, der Agroforst langfristig als landwirtschaftlich genutzte Fläche kennzeichnet, ohne das Risiko des Wertverlustes durch Umwidmung der Flächen
- Förderinstrumente sollten maximale Gestaltungsfreiheit ermöglichen, um flexible Anpassungen vor Ort zu erlauben und um die Flächengestaltung so divers wie möglich umzusetzen
- Fördermittel müssen langfristig verfügbar sein, mit möglichst geringem Aufwand für die Geförderten. Zusätzliche Planungssicherheit kann durch die Minimierung von Langzeitrisiken mit z.B. Versicherungsbedingungen gegen Extremwetterereignisse geschaffen werden
- Kohärenz und Zusammenarbeit verschiedener Politik- und Praxisbereiche, innerhalb der Land- und Forstwirtschaft, des Natur-, Wasser-, Boden- und Klimaschutz muss ein klarer und einfacher rechtlicher Rahmen für die Umsetzung von Agroforstsystemen gegeben sein
- Vernetzung und gute Kommunikation der Pioniere und Pilotprojekte mit gut-koordinierter Begleitforschung und Zertifizierungskurs für alle Interessierten in den Bereichen Planung, Umsetzung, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte, Pflanzung, Pflege und Ernte
- Innovationen zur Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion in regionalen Wertschöpfungsketten mit Einbindung der Öffentlichkeit
Forschung über Ökosysteme hat den Begriff der Resilienz geprägt – unsere Fähigkeit uns selbst neu zu organisieren um weiterhin ökologische und menschliche Gesundheit, auch in Zeiten des schnellen Wandels zu gewährleisten. Hierfür braucht es eine lebendiges Lebensnetz, aus fruchtbaren Böden, gesunder Ökosysteme und Biodiversität, die unsere lebendige Lebensgrundlage bieten. Also bedarf es der Fähigkeit einer gesamtheitlichen und schnellen Umsetzung von Veränderungen, auch in Bezug auf das Wasser- und Ernährungssystem und unserem Konsumverhalten zum Schutz des Lebensraumes der Menschen und anderer Lebensformen.
Nächste Schritte
- Empfehlungen zur Förderung von Agroforstsystemen auf konventionellen und biologisch bewirtschafteten, landwirtsdhaftlichen Flächen in Luxemburg
- Ein Zertifizierungskurs für landwirtschaftliche Berater:innen (Leitung Triebwerk; Partner: Lycée Technique Agricole, Universität Luxemburg) und Landwirt:innen mit geeingneten Flächen zur Umfunktionierung, die auch zum Co-Design von ortsangepassten Pilotprojekten dienen sollen
- Begleitforschung – Ein Konzept mit partizipativer Datensammlung zum Erfassen verschiedenster Auswirkungen von Agroforstsystemen in sozial-ökologisch-technologischen Systemen durch Citzen Science und Fernerkundung
- Schaffung einer Vernetzungsplattform um Projekte zu verbinden und mit Gemeinden neue Vorhaben zu realisieren